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Bayerische Landzwerge
Die Geschichte der
bayerischen Zwerg-Landhühner
Seit dem Sommer 2020
habe ich einen zweiten
Wohnsitz im bayerischen Wald
und halte dort auch Geflügel.
Als großer Hühnerfan habe
ich mich sogleich mit den
bodenständigen bayerischen Rassen
auseinandergesetzt und entäuscht
festgestellt, dass es offiziell
laut zeitgenössischer Literatur
nur noch das Augsburger-Huhn gibt,
welches laut diverser Bücher,
noch nicht mal von
bodenständigen Hühnern abstammt,
sondern aus italienischen Lamottas
und französischen
La Flèche-Hühnern
hervorgegangen ist.
Die Augsburger sind mit
ihren zweispurigen Kronenkämmen
schön und schützenswert,
aber eben nicht wirklich
typisch bayerisch und so
machte es den Anschein, als
seien alle historischen Hühnerpopulationen
in Bayern längst ausgestorben .
Zu traurig um wahr zu sein,
dachte ich mir und
mochte mich angesichts der
großen Fläche Bayerns
nicht wirklich damit abfinden.
Weiter ging es also damit
historische Gemälde systematisch
auszuwerten und zwar von
bayerischer Hühnerhofmalern.
(Ja das war mal ein Beruf)
Das Ergebnis:
Einst waren überall in
Bayern bunte Landhühner
in einer großen und einer zwergigen
Variante zu finden und
dabei zeigten sich häufig
Rosenkämme und Einfachkämme
gemischt in den Beständen.
Außerordentlich realistisch gemalt
sind die Gemälde von
Julius Scheuerer, der
auch Gefiederzeichnungen bis
ins kleinste Detail verewigt hat.
Seine Gemälde gaben mir
viel Motivation:
Nach dem Vorbild der
Gemälde, suchte ich gezielt
nach direkten Abkömmlingen
der bunten Landhühner
und nutzte dabei auch
die Tiefen des Internets.
Letztlich halfen mir
dann auch tatsächlich
die modernen Medien
dabei, einen sensationell großen
bäuerlichen Bestand von zwergwüchsigen
Landhühnern im Landkreis
Straubing ausfindig zu machen.
Zu meiner Verblüffung sollte
sich dieser auch nur 45 min
Fahrzeit von mir entfernt
befinden und so war ich
natürlich nicht mehr zu bremsen.
Noch im Herbst 2020
konnte ich die Bauernfamilie zweimal
besuchen und auch Zuchttiere
für die Gründung eines eigenen Stamms
erwerben. Über 60 Jahr hinweg
haben diese Zwerghühner durchgehend
auf dem Straubinger Bauernhof
mit klassischem Taubenschlag
überlebt.
Sowohl die gute Anpassung
an das niederbayerische Klima,
als auch der hervorangende
Bruttrieb, blieben über die
Jahrzehnte bestehen, weil beides
in der kleinbäuerlichen Haltung
bis heute überlebenswichtig
für die Population war.
Nach der Gründung dreier
neuer Satellitenpopulationen
noch im Jahr 2020,
berichtete ich auch auf
meinem YouTube-Kanal
von der Entdeckung. Zum Glück,
denn seither kommen immer
wieder Hinweise von Zuschauern
aus ganz Bayern welche
die Existenz weiterer Reliktbestände
von bayerischen Landzwergen
nahelegen und zeigen, dass
diese Hühner einmal
weitum geläufig waren.
Sogar in meinem neuen Heimatdorf
konnte sich Tierfreundin Erika an
bunte Zwerghühner aus ihrer
Kindheit erinnern,
die exakt wie die heutigen
bayerischen Zwerg-Landhühner
ausgesehen haben und das
Beste daran: Erika hat auch Fotos
von Anfang der 70er,
die sie als Mädchen mit
ihrem Lieblingshuhn zeigen:
Spätestens nach den
ersten Beweisfotos war
für mich endgültig klar,
dass ich künftig einen Teil meiner
Arbeit der Erhaltung der bayerischen
Zwerg-Landhühnern widmen muss.
Alles andere wäre falsch, denn schließlich
gab es diese Hühner noch vor
50 Jahren im selben Dorf in
dem ich nun selber lebe.
Eine noch regionalere Hühnerrasse
der ich mich widmen kann,
würde ich nie wieder im Leben
finden! Nachfolgend eine
erste Rassebeschreibung:
Rassebeschreibung:
Typ: bunter Landschlag, Urzwerg
Gewicht: 0,7 bis 1,1 kg
Herkunft: Bayern, Landkreis
Straubing Bogen und
Nachbar-Landkreise
Gefiederfarben: keine durchgezüchteten
Farbschläge! Bunt gemischte Grundfarben
z.B. Wildbraun, Gelb, Rot, Schwarz,
sowohl kombiniert mit weißer
Scheckung (Mottled), als auch ohne
Kammformen: kleine bis mittelgroße
Einfachkämme, sowie kleine bis
mittelgroße Rosenkämme, treten
nebeneinander in der Population auf
Lauffarbe: fleischfarbene und gelbe
Läufe sind typisch
Eier: weiß bis hell-creme
Bruttrieb: stark ausgeprägt
Charakter: lebhaft, aufgeweckt,
flugfreudig, guter Futtersucher
*
Wie kam es zu dem
langen Rassenamen?
Die etwas langgestreckt
wirkende Bezeichnung
"Bayerische Zwerg-Landhühner"
habe ich speziell für
diese bis 2020 im Grunde
genommen völlig namenlosen,
bunten Zwerghühnern Bayerns
kreiert, weil sie unabhängig
vonm historischen Stellenwert der
Population immer korrekt
und inhaltlich zutreffend ist.
Sie beschreibt ein zwergwüchsiges
Huhn aus Bayern, das in
bäuerlicher Hühnerhaltung auf dem
Land bis ins 21. Jahrhundert hinein
überlebt hat. Ob die Zuchtgeschichte
der heutigen Population
nun vor 60, 100, 200 Jahren,
oder gar vor noch längerer
Zeit begann, ist dabei letztlich
unerheblich, denn der Rassename
trifft den Nagel so oder so
auf den Kopf. Bei allen
alternativen Bezeichnungen wie
"Altdeutsche Zwerghühner"
oder "Bayerische Urzwerge" müsste
eine uralte Herkunft der Rasse
historisch unzweifelhaft belegbar sein,
was aktuell noch nicht der Fall
ist. Bestimmt wird sich das bald
ändern, aber dann hat sich
"Bayerische Zwerg-Landhühner"
bereits etabliert und wer es
etwas kürzer mag, kann ja
"Bayerische Landzwerge" sagen
oder "BZLH".
*
Farblich zeigen die
bayerischen Zwerg-Landhühner
eine ähnliche Bandbreite
wie österreichische Steinpiperl.
Wie diese, sind sie ein
Reliktbestand, der ehemals
flächendeckend in Europa
verbreiteten Zwerg-Landhuhns
und stehen somit auch in
verwandtschaftlichen Beziehungen
zu anderen Urzwergen, wie
"Holländischen Zwerghühnern"
und "Federfüßigen Zwerghühnern".
Historisch zurückverfolgen lässt sich
eine durchgehende Existenz
der bayerischen Zwerg-Landhühner
bisher zumindest für die letzten
60 Jahre. Sie dürften
aber deutlich älter
sein und bereits im 19. Jahrhundert
in nahezu identischer Form
auf Höfen in Niederbayern
vertreten gewesen sein.
*
Diese Küken
zeigen zweifelsfrei an,
dass es sich hier
um Deutschlands bunteste
Hühnerrasse handelt.
Sie sind einen Tag alt.
Vorgehensweise in der Erhaltungszucht
der Bayerischen Zwerg-Landhühner:
Nach der Wiederentdeckung
dieser wertvollen "Landzwerge",
nahm ich zunächst selber
eine größere Zuchtgruppe bei mir
auf, mit der sich "arbeiten lies".
Anschließend standen für mich
zwei wesentliche Dinge im Vordergrund:
1. Der Aufbau von weiteren Zuchtgruppen
und damit verbunden, die Suche
nach anderen Erhaltungszüchtern
die bereits ausreichende Erfahrungen
mit Landschlägen gesammelt haben
und daher den Unterschied zu
hochgezüchteten Ausstellungsrassen
auch anerkennen können.
2. Der Austausch mit Fachleuten
und diesbezüglich erwies es sich
für mich als kluger Schachzug
den deutschen Geflügelexperten
Armin Six um Rat zu fragen, der
die mitteleuropäische Hühnerzucht
wie kaum ein anderer in
ihrer Gesamtheit im Blick hat
und zudem auf dem Gebiet der
Genetik großes Fachwissen hat.
Er konnte mir beispielsweise
mir seiner Einschätzung
bestätigen, dass ich da wohl
wirklich einen alten Landschlag
entdeckt habe. Außerdem konnte er
mich hinsichtlich der Frage, ob es
gegebenenfalls zu verantworten wäre
Blutauffrischungen mit den
typähnlichen Steinpiperl-Hühnern
zu machen, sehr weiterhelfen.
Am besten zitiere ich hier
die genauen Worte von Herrn Six:
“Wenn diese Bayerischen Zwerghühner
tatsächlich direkt auf die
alten "Landzwerge" zurückgehen, wonach es
ja ganz offensichtlich aussieht, dann sind
sie ganz sicher mit den
habituell sehr ähnlichen Steinpiperl
verwandt und zwar aufgrund
der geographischen Nähe
zu Österreich sogar sehr nah.
Der Austausch mit Steinpiperl
ist daher nicht nur das beste,
was man machen kann,
sondern das einzig richtige.”
Aktuell sind Blutauffrischungen
bei den bayerischen Zwerg-Landhühnern
nicht notwendig, denn die
Fruchtbarkeit der verbliebenen
Tiere ist hoch, was nicht auf eine
Inzuchtdepression
hindeutet. Da der Bestand aber
sehr klein ist, wird man langfristig
nicht um vereinzelte Einkreuzungen
herumkommen können. Erste, kontrollierte
Auffrischungen mit Steinpiperl-Hähnen
werden darum ab 2021 getestet.
Andere Rassen sind für
solche Zwecke bisher nicht
vorgesehen, da man mit dem
Steinpiperl einen ausreichend
starken "Partner" mit
breit aufgestelltem Genpool,
für die Fremdblutzufuhr
zur Verfügung hat.
*
Der Rosenkamm ist ein
häufiges Merkmal beim
bayerischen Zwerg-Landhuhn.
Beim Steinpiperl kommen
Rosenkämme heute nicht mehr vor,
wodurch ein wichtiger Unterschied
genannt ist.
Kleine, bis mittelgroße
Einfachkämme, sind aktuell
bei ca. 70 Prozent der
verbliebenen "Landzwerge"
zu finden. Angeblich waren
noch Mitte des 20. Jahrhunderts
deutlich mehr rosenkämmige
Tiere vorhanden.
Die Vielfalt an Braun-
Rot- und Gelbtönen
ist beim Bayerischen
Zwerg-Landhuhn geradezu
faszinierend.
Auch beim verschollenen,
großen bayerischen Landhuhn
kamen Rosenkämme häufig vor
und wurden vielfach auf
historischen Gemälden abgebildet.
Dass auch die Zwerg-Landhühner
gerne mit Rosenkämmen auftreten,
verwundert mit diesem
Hintergrundwissen, vielleicht
nicht mehr so sehr.
Er bildete Rosenkämme
besonders häufig bei
den vermutlich ausgestorbenen,
großen, bayerischen
Landhühnern ab:
Julius Scheuerer,
ein bekannter Geflügelhofmaler
aus der Nähe von München
(1859 bis 1913).
In ihrer Gesamtheit
lassen sich seine Werke
als gute Belege für die
Allgegenwärtigkeit
dieser stark abgewandelten
Kammform, in früheren
bayerischen Hühnerbeständen
werten.
4 x OBEN und 1 x UNTEN:
Beispiele für unterschiedliche
Ausprägungen hinsichtlich
Größe und Struktur von
Rosenkämmen beim bayerischen
Zwerg-Landhuhn.
*
Als robuster, bodenständiger
Landschlag Bayerns, stellt
das Bayerische Zwerg-
Landhuhn keine schwer
erfüllbaren Ansprüche an
seine Haltung.
Auch im Winter brauchen
diese Hühner keine
Heizung im Stall, so lange
dieser frei von Zugluft ist
und gut isoliert. Hier ist
meine Zuchtgruppe im
Dezember in der Freivoliere
zu sehen.
*
*
Links Steinpiperl Rechts BZLH
Die beiden Fotos oben und unten
dienen zum Vergleich zwischen
Steinpiperl und Bayerischem
Zwerg-Landhuhn.
Steinpiperl-Hahn "Peanut"
trifft auf BZLH "Otto"
*
Diese wildfarbige Henne
mit gut erkennbarem
Silberfaktor und einem
kräftig entwickelten Rosenkamm,
ist ein gutes Beispiel für ein
bayerischen Zwerg-Landhuhn
mit viel altem Hühneradel.
Hennen ihrer Optik
kamen einst auch bei den
ausgestorbenen, großen bayerischen
Landhühnern vor, die doppelt
bis dreimal so viel auf die
Waage brachten. Ob die
großen Landhühner nahe mit
den kleinwüchsigen Landhühnern
verwandt waren, werden vielleicht
künftige Untersuchungen
aufdecken.
*
Eine Schar bunter Küken
vom bayerischen
Zwerg-Landhuhn, ist ein
goldiger Anblick. Meistens
kann man sich kaum satt sehen
an der Buntheit der
flauschigen Neuankömmlinge.
Bereits bei meiner ersten
Brut der Landzwerge fiel
mir auf, dass die Küken
bei dieser Rasse schon recht
früh und zwar teilweise am 19. Tag
der Brut schlüpfen.
Nachzügler folgen aber bis zum
21. Tag und entsprechen
damit der bei anderen Hühnern
üblichen Brutdauer.
Dieses Landzwerg-Küken
hat ein Schwarz-Weißgeschecktes
Flaumkleid und wird vermutlich
auch später Schwarz-Weiß befiedert
sein. Ganz sicher kann man sich
da bei bunten Landrassen
aber nie sein. Oft
ändert sich das Farbbild
bei der Mauser in das
Adultgefieder nochmals geradezu
extrem und es kommen
dann auch zuweilen noch neue
Farbnuancen dazu.
Diese Küken sind
bereits 3 Wochen alt,
und dabei auffallend
vital, aufmerksam und lebhaft.
Sie können in diesem Alter
auch schon phänomenal
gut fliegen, denn die langen
Schwungfedern sind
stark entwickelt. In der
Natur bietet das einen
Überlebensvorteil und daher
ist diese Eigenheit der
"unausgeglichenen Befiederung
zugunsten der Flügelfedern",
beim Nachwuchs vieler
Hühnervögel so zu beobachten .
Hier sind Eier von einer
meiner Kunstbruten
der bayerischen Landzwerge
zu sehen. Langfristig werde ich
versuchen vorzugsweise mit
Naturbrut zu züchten, um so
die guten Naturbruteigenschaften
dieser Hühner zu bewahren.
Gerade zu Beginn einer
Erhaltungszucht sind Kunstbruten
aber sehr hilfreich, weil man so
schlichtweg höhere Tierzahlen
in kürzeren Zeiträumen
erreichen kann.
Schlüpfende Küken:
Die Eier sind bei den
BZLH merklich größer
als bei den ähnlichen Steinpiperl.
Da die Hennen selber,
bei beiden Landrassen ziemlich
genau gleich groß sind,
ist das ein bemerkenswerter
Unterschied, wie ich finde.
Die Schalenfarbe ist fast
immer ein zarter Cremeton.
Mir ist zumindest bei den
eigenen Zwerg-Landhühnern
aufgefallen, dass sie sehr
gute Winterleger sind,
die trotz unbeheiztem Stall,
auch im Dezember und Jänner
regelmäßig legen. Allerdings füttere
ich meine Hühner auch im
Winter sehr vielfältig
und ausgewogen - sie bekommen
weit mehr als nur
die Standardmischung aus
dem Sack! Gesottene
Erdäpfel, geriebene Karotten,
Grünkohl und Reis (ohne Salz
gekocht) sorgen beispielsweise
für Abwechslung auf dem
Menüplan.
Auch im Winter können
meine bayerischen
Zwerg-Landhühner ganztägig
an die frische Luft!
Eine überdachte Voliere,
die mit Wurzeln, Ästen,
Baumstämmen, Felsen und
Tannenreisig strukturiert ist,
macht das auch bei
geschlossener Schneedecke
gut möglich. Durch diese
Haltungsform bleiben wetvolle
Eigenschaften wie "Kältetoleranz"
und "Widerstandsfähigkeit"
auch künftig typisch für
diese Hühner-Population.
MEIN GRÖSSTER DANK
gilt an dieser Stelle
dem deutschen
Geflügelzucht-Experten
ARMIN SIX, der mir
viele Fragen hinsichtlich
der historischen Relevanz von
Zwerghühnern in Europa,
sowie zu den verwandschaftlichen
Verhältnissen europäischer
Zwerghühnern umfangreich
beantworten konnte
(Sowohl persönlich, als auch
indirekt durch seine
tollen Genetik-Bücher)!
Ohne den Austausch
mit Fachleuten die sich
auch mit der Genetik
des Hausgeflügels auseinandersetzen,
ist es heute nicht
mehr möglich, gewissenhaft
Erhaltungszuchtmaßnahmen
für wiederentdeckte
gefährdete Rassen einzuläuten!
*
Bayerisches Zwerg-Landhuhn
rosenkämmig
BZLH
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